Thomas Gsella am 10.11.2013 auf dem Schultenhof in Mettingen
Das Beste aus 50 Jahren
Satiriker Thomas Gsella unterhielt zum Auftakt der „LiteraTour“ sein Publikum mit Bösem und Bitterbösem im Schultenhof. Alle bekamen ihr Fett weg in Hunderten von langen und kurzen Gedichten sowie Prosa.
METTINGEN. Er lese jetzt erst einmal
zwei Stunden, Lyrik und Prosa, nach der Pause gehe es weiter und zum Schluss
noch unendlich viele Zugaben, kündigt Thomas Gsella beiläufig an. „Vorsicht,
Satire!“, und die beherrscht er aus dem Effeff. Kein Wunder, war Gsella doch mal
Chefredakteur der „Titanic“, dem „mal rassistischen, mal niveaulosen, mal
gemeinen, aber immer lustigen“ Magazin, für das er heute noch kräftig die
Werbetrommel schlägt.
Auch am Sonntagabend auf dem Schultenhof,
wo er auf Einladung des Fördervereins Mettinger Schultenhof auf der Diele das
„Beste aus 50 Jahren“ zum Besten gibt. Es ist die Auftaktveranstaltung der „LiteraTour“,
einer Reihe von Lesungen, die Literaturliebhaber zwölf Tage lang zu den
unterschiedlichsten Spielstätten durch das ganze Tüöttendorf führt. „Ich darf
hier lesen“, sagt Gsella bescheiden, bevor er loslegt, sein Feuerwerk zündet und
die Produkte „seiner Freude am Reimen“, Hunderte von langen und kurzen Gedichten
sowie die Prosa abfeuert. Und da bekommen alle ihr Fett weg. Allen voran die
Sportreporter, die sich von der gegenseitigen Befruchtung über Vibrationen bis
zum Höhepunkt – und das alles im Fußball – oft ohne Sinn und Verstand um Kopf
und Kragen reden, lustvoll zitiert und kommentiert von Thomas Gsella. „Da ist
kein Wort von mir“, betont er ausdrücklich.
Lack
ab bekommen die Fastfoodketten, komische Deutsche wie Guttenberg, Merkel oder
Mappus, lyrische Seitenhiebe hagelt es auf Städte wie Bielefeld, Kassel, Wildbad
Kreuth, Bayreuth oder Berlin bei Polen. Auch ein Gedicht auf Mettingen hat er
parat, von Schinken und Regenpfützen ist da die Rede, ein Schelm, wer Böses
dabei denkt.
Es wäre keine Satire, wenn nicht das
Lachen manchmal im Hals stecken bliebe. Doch wenn der Kloß im Hals zu groß zu
werden droht, bekommt Gsella gerade noch rechtzeitig die Kurve und begibt sich
in unverfängliche Gefilde. In atemberaubendem Tempo hangelt er sich von der
Hirnkomapatientin („Ich war selbst entsetzt, als ich das Gedicht las“) über „das
Ende der Firma van der Vaart“ („Da weiß man, warum die Menschheit untergeht“) zu
den afrikanischen Tagen im Schweriner Zoo („Auf freie Artgenossen wird drüben
noch geschossen“).
Sebastian Vettel, Oliver Pocher, Boris
Becker, Josep Guardiola, Margot Käßmann – auch die Opfer seiner
Stern-Personenkontrolle knöpft sich Gsella noch einmal vor und kommt auf dem
schmalen Grat zwischen Witz und bitterer Wahrheit nur kurz ins Trudeln, als er
Friedrichs Flüchtlingspolitik beschreibt. „Ist das Mittelmeer erst voll, kann
man drüber laufen.“ Wo steckt das Lachen? Schnell runterschlucken und schon
geht’s weiter mit Führerscheinprüfungen, Intelligenztests, den letzten Fragen
der Menschheit, dem Auto, in das die Frauen schauen, sowie Tannenbaum- und
Gänsefüßchen-Geschichten.
„Vielleicht haben Sie schon gemerkt, dass
ich gerne schimpfe!“ Ach was! Gereimte Berufsbilder mit Reimresonanz, die Natur
als schlimmster Feind des Menschen, Buchautoren, denen man besser mehr Rollen
geben sollte. Gsella lästert, was das Zeug hält, und das auf hohem Niveau.
„Vielen Dank, das war’s“, verabschiedet er sich nach gut zwei Stunden. Vorbei?
Schade